2012(Feb): Mendelssohn Bartholdys „Paulus“

NOZ vom 13.02.2012

Kräftige Farben und Konturen

Mendelssohn Bartholdys „Paulus“

von Jan Kampmeier

DISSEN/HAGEN. „Wachet auf, ruft uns die Stimme.“ Den bekannten Choral hat Felix Mendelssohn Bartholdy gleich zu Beginn der Ouvertüre zu seinem Oratorium „Paulus“ wunderschön gesetzt. Er ist zunächst den Celli anvertraut und zieht den Zuhörer sofort hinein in die Geschichte des Apostels. In der Dissener Kirche St. Mauritius intonieren die Celli des Orchesters Osnabrücker Musikfreunde den Choral mit warmem, blühendem Klang. Das Thema taucht immer wieder auf in der turbulenten Ouvertüre, die das Orchester mit Schwung spielt.

Dann gibt der Kammerchor Cantus Firmus mit der Anrufung „Herr, der du bist der Gott“ seine prächtig klangvolle Visitenkarte ab. In der folgenden Geschichte wird der Chor, in enger Anlehnung an das Vorbild Bach, in Chorälen über das Geschehen reflektieren, als aufgebrachter Mob über Stephanus herfallen, um ihn zu steinigen, als naive Heiden Paulus als Gott verehren, um sich dann bereitwillig von ihm bekehren zu lassen. Und die Frauenstimmen werden sogar als Stimme Gottes auftreten – ein Spezialeffekt anno 1836, von Bartholdy so überraschend komponiert, dass er immer wieder verblüfft.

Stefan Bruhn führt Chor und Orchester mit sicherer Hand durch die Partitur. Die hält zwar für beide Ensembles sehr anspruchsvolle Aufgaben bereit, doch alle Beteiligten stellen sich diesen Herausforderungen nicht nur, sondern musizieren mit viel Engagement und Freude an den kräftigen Farben und Konturen, mit denen Bartholdy die Geschichte des Paulus so plastisch und lebendig gemalt hat.

Vorangetrieben wird die Handlung immer wieder von Tenor Max Ciolek, der in den erzählerischen Abschnitten dramatische Akzente setzt. So forsch er durch diese Rezitative stürmt, so ruhig gestaltet er seine einzige Soloarie „Sei getreu bis in den Tod“. Überwiegend mit lyrischen Qualitäten beeindruckt die junge Sopranistin Hanna Zumsande, vor allem in der zarten, traurigen Arie „Jerusalem, die du tötest die Propheten“. Die Titelpartie wird von Thilo Dahlmann verkörpert, der sich eindrücklich vom Verfolger Christi zum Apostel wandelt. Er interpretiert den vielseitigen Part mit Einfühlungsvermögen, so gelingt ihm zum Beispiel in der Arie „Gott sei mir gnädig“ ein inbrünstiges Gebet – das er allerdings mit großer Stimmgewalt intoniert.

Während die Soli in manchen Aufführungen auf vier bis sechs Solisten verteilt werden, springen hier für ein Duett die Herren des Chores ein, die übrigen kleineren Partien übernehmen die drei Solisten gleich mit, Sopranistin Hanna Zumsande sogar ohne stimmliche Einbußen die Altpartie.

Die Akustik in der nicht zu großen Kirche St. Mauritius erweist sich als bestens geeignet für die üppige Partitur. Selbst raschere Tempi sind hier problemlos möglich, denn die Konturen verschwimmen nicht. Klare Textverständlichkeit bei Chor und Solisten fallen ebenso angenehm auf wie die Transparenz der Orchesterklänge.