2014(Mai): Konzert- Familientaugliche Sinfonik in Evinghausen
Mit Schirmmütze trat Schauspieler Thomas Schneider zu „Peter und der Wolf“ auf.
Foto: Ludger RehmFoto: Philipp Hülsmann
NOZ (Bramsche) vom 18. Mai 2014
Konzert in der Waldorfschule
Familientaugliche Sinfonik in Evinghausen
von Ludger Rehm
EVINGHAUSEN. Es hat sich in der Region herumgesprochen: In Evinghausen gibt es nicht nur ein regional interessantes Alternativschulangebot, sondern die Aula der Freien Waldorfschule dürfte auch zu einem der schönsten Konzertsäle im Umkreis gehören. Nach Gastspielen der „Bläserphilharmonie Osnabrück“ war nun am Samstagnachmittag das „Orchester Osnabrücker Musikfreunde“ unter der Leitung von Reinmar Neuner zu Gast. Im Gepäck ein Programm mit familientauglicher russischer Sinfonik und mit Thomas Schneider, Schauspieler am Theater Osnabrück, als Sprecher.
Zu Modest Mussorgskys Orchesterfantasie „Die Nacht auf dem Kahlen Berge“ taucht Thomas Schneider plötzlich aus den Orchesterreihen mit Hexenmaske und schwarzem Umhang auf und deklamiert mit dramatischer Verve die programmatischen Zwischentexte. Eine schöne und dramaturgisch wirkungsvolle Idee. Auch das Orchester zeigt, dass es mit Reinmar Neuner nicht nur einen souveränen Dirigenten hat, sondern offensichtlich auch einen guten Übungsleiter, der auf homogenen Klang der Stimmgruppen, exakten Strich, ausgewogenen Gesamtklang und präzise Einsätze achtet. Da braust und tobt es mit rhythmischer Genauigkeit, da säuselt und wirbelt es mit virtuosen Bläsersoli, da webt und schwebt es mit satten Streichertremoli und treffsicheren Pizzicati. Da kommen nicht nur der Leibhaftige, seine Hexen und seine Zauberer voll auf ihre Kosten.
Zu Sergej Prokofjews musikalischem Märchen „Peter und der Wolf“ tritt Schneider mit Schirmmütze und im Freizeit-Look auf: sozusagen das Alter Ego des jungen Peter. Die Sprecherrolle fungiert solistisch. Es gibt auch hier Zwischentexte, aber ebenso auch melodramatisch zur Musik komponierte Einsätze. Schneider ist ein echter Erzähler, er erzählt für sein Publikum, er mimt, er bückt sich, er streckt sich, er erzählt mal verschmitzt, mal lässig, mal ironisch, mal großmaulig, mal mitleidig und dann wieder drohend, aber auch mal zu schnell oder zu leise. Ein reichhaltiges Repertoire von Gesten und Stimmungen, die auch das Orchester mitspielt, aufgreift oder vorgibt. Es gelingt dem Orchester, Prokofjews nur scheinbar leichte Partitur mit hoher kammermusikalischer Sensibilität und Präzision umzusetzen. Dass Neuner den abschließenden Triumphmarsch zu Beginn eher als eine Art Trauermarsch interpretiert, kann als subtiler Hinweis auf das Politisch-Allegorische des Werkes verstanden werden.
Nach der Pause steht Nicolai Rimsky-Korsakows sinfonische Suite „Scheherazade“ auf dem Programmzettel. Nach einer kurzen Erzählereinleitung, die Schneider im Sultangewand zelebriert, lässt die Musik in vier ausgedehnten Sätzen den tyrannisch-bösen Sultan auftreten und seine zum Tode verurteilte Frau Scheherazade, die die Vollstreckung des Urteils durch das Erzählen von Märchen erst aufschieben und schließlich den Sultan ganz besänftigen kann. Konzertmeister Wolfgang Paulik hat den anspruchsvollen Part der Solo-Violine übernommen und zaubert eine sowohl filigrane als auch facettenreich tiefsinnige Scheherazade. Dem gegenüber stehen nicht nur die mächtigen Posaunen- und Tutti-Einsätze des Sultans, sondern auch ein opulentes Klangmeer romantischer Sinfonik, bei dem das Orchester an Klangfülle und Intensität noch einmal deutlich zulegt, um das stürmische Meer, dem Sindbads Schiff vergeblich zu trotzen versucht, und um das orientalische Markttreiben in Bagdad mit instrumentalen Arabesken und flirrenden Rhythmen in kräftigen Farben zu malen. Standing Ovations!