2015(Okt): Erschütternd und ergreifend
Konzert der Spitzenklasse im Diepholzer Theater: Das Orchester der Osnabrücker Musikfreunde mit Alja Velkaverth als Querflötensolistin.
Foto: Brauns-Bömermann
Kreiszeitung Ausgabe Diepholz vom 21.10.2015
Erschütternd und ergreifend
Orchester Osnabrücker Musikfreunde begeistert im Diepholzer Theater
von Simone Brauns-Bömermann
DIEPHOLZ. Der dritte Preis in der Endrunde des Deutschen Orchesterwettbewerbs für nicht professionelle Orchester vor zehn Jahren ist heute mehr als gerechtfertigt, vielleicht wäre es heute sogar Platz eins. Was das Orchester Osnabrücker Musikfreunde unter der Leitung des langjährigen Dirigenten Reinmar Neuner etwa 130 Zuhörern im Diepholzer Theater präsentierte, war ein Konzert für Bravo-Rufe.
Das Orchester gründete sich aus Menschen aller Professionen, die gerne musizieren. Von Beginn an wirkten in ihm auch junge Instrumentalisten mit, Schüler und Studenten, um einen praktischen Zugang zur sinfonischen Musik zu erhalten.
Mit ihrer Auswahl für das aktuelle Herbstkonzert landeten die Musiker in Diepholz einen Volltreffer. Langjährige Fans und „Neulinge“ beim Zuhören waren sich nach dem Konzert einig: „Das war Spitze und nächstes Mal kommen sicher viel mehr Besucher, um die Brillanz nicht zu verpassen“.
Das diesjährige Motto war: „Nur jene Musik vermag zu rühren, erschüttern und zu ergreifen, die aus der Tiefe der durch Inspiration erregten Seele des Künstlers fließt“ (Zitat von Peter Iljitsch Tschaikowski 1878). Zu ergänzen wäre, dass die Zuhörer diese Erschütterung, Rührung und Ergriffenheit spürten.
Was mit Dimitri Schostakowitschs Marsch aus der„Suite für Varieté-Orchester“ robust russisch begann, endete im Nichts mit dem vierten Satz „Finale. Adagio lamentoso – Andante“ aus Peter Iljitsch Tschaikowskis„Sinfonie Nr. 6 „Pathetique“. Es dauerte einige Sekunden, bis sich der donnernde Applaus in Diepholz einstellte – mit stehenden Ovationen und dem Ruf „Zugabe“.
Dazwischen ein musikalisches Zitat von Komponist Jacques Ibert, das Konzert für Flöte und Orchester. Alja Velkaverh verzaubert als Querflötensolistin mit Kraft und Zärtlichkeit, Schmerz und Versöhnung, technisch virtuos und versiert. Wäre ihr Kleid nicht so prachtvoll und lang gewesen, wäre sie gern in den lebendigen Sequenzen mitgehüpft, gesprungen, gelaufen. Lang musste das Publikum der Solistin nicht auf die Zugabe noch vor der Pause warten, denn nach der Pause saß sie schon in „zivil“ im Publikum und lauschte dem Werk von Tschaikowski.
Für die Zugabe wählte sie sanftes für Flöte von Debussy. Jacques Ibert schrieb sein Flötenkonzert 1934. Seine Musik spiegelt Fantasie und Vorstellungskraft. Viele Passagen hören sich an, als wenn die Welt aus den Fugen gerät, fast kosmisch.
Das Flötenkonzert war für die Solistin, das Orchester und die Zuhörer eine Herausforderung mit unglaublichem Mehrwert. Ein Sprung zwischen Sphären, lyrisch, farbig, Oasen der Ruhe und dann wieder martialisch.
Die Pause war bewusst gewählt, bevor die pathetische Sinfonie von Tschaikowski sich entfaltete. Wie Stromschnellen eines Lebens, mit Prallhängen, Leidenschaft, Ekstase, Bedrohung, Macht, flirrend, hektisch, spitz, um dann zu schlurfen wie bei einer Totenmesse, niedergedrückt von des Welt Schmerz.
Das Orchester Osnabrücker Musikfreunde ist wie ein Räderwerk der feinsten Industrialisierung.
Ein wenig lässt das Werk, das Tschaikowski kurz vor seinen dubiosen Tod noch einmal dirigierte, den Schluss zu: „Richtig klagen, kann nur ein Orchester“. So endet es dann auch: Im leisesten zu spielenden h-Moll, das absolute Ruhe und Luft anhalten erbittet.