2017(April): Das Orchester Osnabrücker Musikfreunde spielte am Samstag im Diepholzer Theater.

Das Orchester Osnabrücker Musikfreunde spielte am Samstag im Diepholzer Theater. Foto: Brauns-Bömermann

Diepholzer Kreisblatt vom 04.04.2017

„Probe“ für das Heimspiel
Orchester Osnabrücker Musikfreunde vor 80 Zuhörern im Diepholzer Theater

Diepholz. Die heutige Generation tweetet und twittert, teilt und liked – alles zum Zweck der Gefühls- und Informationsweitergabe, mit dem Medium unserer Generation. Im Theater Diepholz wurde am Samstagabendvon dem Orchester Osnabrücker Musikfreunde auch getweetet und zwar von den Solisten RoseWeissgerber (Sopran) und Marco Vassalli (Bariton) und das romantisch.

Sie nutzten die Medien Stimme und Orchesterbegleitung, um die Botschaften der Romantiker Achim von Arnim und Clemens Brentano zur Vertonung von Gustav Mahler zu übermitteln. Und was zunächst für Teil zwei des Konzertes für heutige Verhältnisse eher langweilig klingt mit Überschrift Lieder aus „Des Knaben Wunderhorn“ wurde zum romantischen, tragischen Tweet über die Jahrhunderte gerettet und teils brandaktuell. 65 Musiker saßen rund 80 Gästen gegenüber und nahmen es sportlich: Sie verstanden das spärlich besuchte Konzert als super Generalprobe für ihr Konzert am Sonntag in der Osnabrückhalle, einem Heimspiel. Das Ensemble, dass fast jedes Jahr fest im Programm des Kulturring Diepholz war, war in diesem Jahr mit der Terminplanung hinterher. Die vorherigen Konzerte waren immer gut besucht: „Wir haben das Konzert als Zusatzveranstaltung in den Spielplan aufgenommen“, erläutert Werner Wessel vom Kulturring. Doch die Quantität an Besuchern sagte rein ganz nichts über die hohe Qualität des Orchesters aus.

Als Paukenschlag des Frühlings, als Auftakt der Kraft, aber auch der Wetter bedingten Rückschläge im Frühling gab es die „Frühlingssinfonie“ von Robert Schumann in vier Sätzen. Schumann schrieb sie im Jahr 1841 als erste Sinfonie auf Grundlage des Gedichtes von Adolf Böttger „Im Thale blüht der Frühling auf!“. Zartes flankiert Donnerhall, Tanz das Sprießen von Lust, Grün, Licht und Glück. Vitamin D für das Publikum am Abend.

Die Interpretationen der 13 Lieder aus „Des Knaben Wunderhorn“ der zwei geladenen Solisten rührte zu Tränen und die Entscheidung, zwischen den Liedern nicht zu applaudieren, erhöhte die Anspannung bis zum Schlussapplaus. Die Texte aus der Volkslied-Gedichtsammlung, die Mahler in extrem gefühlvoller Weise vertonte und akzentuierte, waren nichts anderes als das Aussprechen von damaligen sozialen, emotionalen, eben menschlichen Problemstellungen: Ganz vorn die Liebe, Krieg, Leid und Sterben, metaphorische Ansätze zur Gesellschaftserziehung und Natur. Es sei nur erinnert an die Stichworte zur Romantik: Epoche der Gefühle, Flucht aus der Wirklichkeit, Rheinromantik und Zulassen eines Seelen-Lebens. Clemens Brentano und Achim von Arnim gaben zu Beginn des 19. Jahrhunderts das Volksliederbuch heraus und retteten einen Schatz aus mehreren Jahrhunderten von lyrischer Dichtung über Verskunst, Abzählreim bis zum Liebeslied, zur Ballade und Volksglauben. Das Bild des Füllhorns als Instrument des Labs musischer, kulinarischer und geistiger Nahrung war den Menschen im 19. Jahrhundert bekannt wie heute der Input über Internet, Soziale Netzwerkseiten, Blogs und Chats. Die von Mahler vertonten Verse wirkten auf das Publikum wie bildhafte Musik ohne Hinzunahme der Augen.

Im Wechsel oder solistisch, je nach Thema, ergriffen die beiden Solisten die Herzen und Seelen der Zuhörer gleich mit. Ein Genre erlebte eine Renaissance, die als Feuilleton im Theater beschrieben werden kann. Nach den dreizehn Liedern hatte sich so ein „Ich muss jetzt die Spannung über meine Freude über das Gehörte entladen, sprich applaudieren, Bravo rufen und Freudenpfiffe gen Bühne senden“ aufgebaut, als der Applaussturm losbrach. Ein Sturm, der niemals die 80 Gäste ahnen, vielmehr 200 schätzen ließ. Endlich galt Sprache wieder mehr als verkürzte Sätze, verkürzter Sinn und Stenografie-Stil der Zeit geschuldet. Erlaubt waren in den Liedern Metapher, Synonym, Motive und Symbole. Die galt es aus unserer Zeit zu erkennen. Dass „Sein Haus, sein Haus von grünem Rasen, wo die schönen Trompeten blasen“, das Schlachtfeld war, stimmte nicht so frühlingshaft. Aber die Kriege fand und finden zu allen Jahreszeiten statt. In der Romantik wurde die Todesnachricht des Liebsten übermittelt, Linkin Park macht es heute ebenso im Song „Castle Of Glass“.