2016(Juni): „Wir haben uns an einiges gewagt“ Das Orchester Osnabrücker Musikfreunde feiert Geburtstag
Foto: Thomas Osterfeld
NOZ vom 3.6.2016 / NOZ online vom 2.6.2016
„Wir haben uns an einiges gewagt“
Das Orchester Osnabrücker Musikfreunde feiert Geburtstag – und dreißigjährigen Erfolg
An diesem Wochenende feiert das Orchester Osnabrücker Musikfreunde sein 30-jähriges Bestehen. Ein guter Grund, sich mit einem altgedienten Musiker und einer jungen Kollegin zu unterhalten.
von Ralf Döring
OSNABRÜCK. Beethoven, Schubert, Brahms. Strawinsky, Britten, Schostakowitsch. Dvorak. Mendelssohn. Strauss: Die Programme des Orchester Osnabrücker Musikfreunde (OOM) unterscheiden sich nicht wesentlich von denen der Profis vom Osnabrücker Symphonieorchester. Trotz aller skeptischen Fragen, denen sich Laien in unserer perfektionierten Welt ausgesetzt sehen, oder gerade deswegen, sagt Harald Siegers lapidar, „wir haben uns an einiges gewagt“. Er lächelt dabei, wohl wissend um den Lohn, den das Orchester für seinen Mut eingefahren hat: Volle Häuser, begeistertes Publikum. Und natürlich, ganz eigennützig, die Freude am Musizieren.
Zur Geburstagsparty ein bisschen Stepptanz
Dreißig Jahre liegt die Gründung des Laienorchesters nun zurück; am Wochenende gibt es je ein Jubiläumskonzert in der Ehemaligen Kirche in Hagen und in der Aula der Hochschule. In der Mitte des Programms steht dabei ein Werk, das wie eine schillernde Pointe heraussticht: Das Tapdance Concerto von Morton Gould. „Dvoraks Sinfonie ,Aus der Neuen Welt‘ war schon gesetzt“, sagt Nadja Hekal, „dann hatte einer die Idee zu diesem Stück.“ Der Solist Bernd Paffrath hatte Zeit, der Youtube-Clip bestätigte das Votum –so kam Morton Gould aufs Programm. Die Brücke zur Dvorák-Sinfonie, von hoher, ernster Kunst gewissermaßen, zum Stepptanz schlägt schließlich George Gershwins „Amerikaner in Paris“. Eine pfiffige Kombination, die auch einem Profiorchester gut stehen würde. Beim OOM markiert sie einen Generationenwechsel, von Siegers zu Hekal.
Generationenwechsel in der aktiven Lebenszeit
Geradezu staatstragend nahm sich das erste OOM-Programm aus: Die Egmont-Ouvertüre und das Violinkonzert von Ludwig van Beethoven sowie die siebte Sinfonie von Franz Schubert standen am 4. Mai in Bersenbrück und am 10. Mai in der Osnabrückhalle – die damals noch schlicht Stadthalle hieß – auf dem Programm. Doch das entsprach dem Gründergeist. „Es muss doch möglich sein, ein sinfonisches Laienorchester zu Gründen“, sagten sich damals Harald Siegers und Dieter Niemczyk, sprachen und taten es. Der Wunsch: Nicht nur Kammermusik, sondern auch mal die große Orchesterliteratur zu spielen. Bis heute nehmen sie ihren Platz bei den Musikfreunden ein. Nur den Vorsitz des Orchesters mit all der Organisationsarbeit haben sie abgegeben. „Wir wollten den Generationenwechsel zu unseren aktiven Lebzeiten vollziehen“, sagt Siegers, mit Betonung auf „aktiv“.
Siegers und Hekal pflegen einen selbstverständlichen Ton, wie unter guten Bekannten. Gleichzeitig spürt man das Vertrauen, das Siegers seiner jungen Orchesterkollegin entgegenbringt. „Alle sind für alles da“, sagt Hekal. So lässt sich ein Kollektiv aus 65 Musikerinnen und Musikern zusammenhalten.
Dass das über die Jahrzehnte so gut funktioniert hat, hängt an einer weiteren Person: Auf Reinmar Neuner, der seit knapp 20 Jahren das Orchester dirigiert. „Im Motivieren ist Neuner groß, da sind sich alle Musikfreunde einig“, schrieb die „Neue OZ“ 2004; da bereitete sich das Orchester gerade auf die Endrunde des Deutschen Orchesterwettbewerbs vor. Den Sieg auf Landesebene hatten das Orchester da schon in der Tasche; auf Bundesebene hat es zumindest für eine Urkunde gereicht, die „guten Erfolg“ bescheinigt.
Ein weitaus wichtigerer Erfolg ist indes die Kontinuität, mit der sich das Orchester seit dreißig Jahren behauptet. „Es ist bei uns nicht wie bei den Männerchören“, sagt Siegers, „wir sind nicht dieselben wie zu Beginn, nur dreißig Jahre älter. Wir haben viele junge Musiker.“ Nachwuchsmangel? Wer etwa mit der Posaune ankommt, um mitzuspielen, findet seinen Platz nicht auf einem Orchesterstuhl, sondern auf der Warteliste. So haben Siegers, Niemczyk und deren Vorstandskollegen das Orchester liebevoll gepflegt und einen Kulturmotor übergeben, der schnurrt wie am ersten Tag. Doch Hekal weiß, dass das nur eine Momentaufnahme ist. Marketing und Internetauftritt sollen moderner werden, das Ticketing auch. Außerdem denkt sie über die Soziostruktur des Orchesters nacht: Derzeit spielen in erster Linie Akademiker; das muss nicht so bleiben, findet die Geigerin. Doch das ist Zukunftsmusik.